Wien ist eine Stadt, die sich immer wieder neu erfindet und sich mit ihren innovativen Projekten im Bereich der Kunst und Kultur einen Namen gemacht hat. Eines dieser spannenden Projekte ist die „Wienerwand“, die es Künstlern und vor allem Jugendlichen ermöglicht, sich auf legale Weise künstlerisch auszudrücken. In einer Stadt, die auf Tradition und Moderne gleichermaßen setzt, sind diese Graffiti-Flächen ein willkommenes Zeichen, um Graffiti und Street Art als anerkannte Kunstformen zu fördern. Der neueste Zuwachs im Netzwerk der Wienerwände ist der 350 Meter lange Bauzaun am Gaudenzdorfer Gürtel, der nun jungen Künstlern zur freien Gestaltung zur Verfügung steht.
Graffiti hat seinen Ursprung in den 1960er Jahren in den USA, wo es zunächst als Ausdrucksform jugendlicher Subkulturen diente. Junge Menschen, vor allem in den Großstädten, begannen, ihre Pseudonyme und Botschaften auf öffentlichen Wänden zu hinterlassen. Dabei ging es nicht nur um die Rebellion gegen das Establishment, sondern auch um den Wunsch nach Sichtbarkeit und Anerkennung in einer Welt, die ihre Existenz oft ignorierte. Diese frühen Werke, oft als „Tags“ bekannt, entwickelten sich im Laufe der Zeit zu komplexen und kunstvollen Schriftzügen, die heute als eine Form von Urban Art anerkannt sind.
In den 1980er Jahren fand Graffiti seinen Weg nach Europa und auch nach Wien. Was damals noch als Vandalismus abgetan wurde, ist heute eine anerkannte Kunstform, die sowohl in der Kunstszene als auch in der breiten Öffentlichkeit auf zunehmendes Interesse stößt. Die Stadt Wien hat diesen Wandel erkannt und bietet mit den Wienerwänden eine legale Plattform für Graffiti-Künstler, die ihr Talent öffentlich zur Schau stellen möchten.
Für viele Jugendliche ist Graffiti mehr als nur ein Hobby – es ist eine Leidenschaft, ein Ausdrucksmittel und eine Möglichkeit, ihre Umgebung aktiv mitzugestalten. Die Wienerwand bietet ihnen einen legalen Raum, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen, ohne dabei in Konflikt mit dem Gesetz zu geraten. Das Projekt hat daher nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine präventive Funktion. Indem legale Flächen bereitgestellt werden, werden Jugendliche von illegalen Aktivitäten abgehalten und stattdessen in eine positive und produktive Richtung gelenkt.
Darüber hinaus fördert die Wienerwand das Selbstbewusstsein junger Menschen. Das Gefühl, ein eigenes Kunstwerk im öffentlichen Raum zu schaffen und dabei von Passanten wahrgenommen und vielleicht sogar bewundert zu werden, kann für viele Jugendliche eine wichtige Erfahrung sein. Es gibt ihnen die Möglichkeit, sich auszudrücken und einen Beitrag zur Gestaltung ihres städtischen Umfelds zu leisten. Der neue Standort am Gaudenzdorfer Gürtel wird ab sofort für Graffiti-Workshops genutzt, die von WienXtra im Rahmen des Ferienspiels und dem Jugendprogramm "Frish" angeboten werden
Die Nutzung der Wienerwände ist bewusst einfach und unbürokratisch gestaltet. Es bedarf keiner Anmeldung, und die Künstler können jederzeit loslegen, solange sie sich an die festgelegten Regeln halten. Diese Regeln sind nicht nur dazu da, den öffentlichen Raum zu schützen, sondern auch, um den Respekt unter den Künstlern zu fördern. Da die Flächen immer wieder neu bemalt werden, ist es wichtig, dass ältere Werke respektvoll übermalt und vollständig abgedeckt werden, um ein harmonisches Gesamterscheinungsbild zu wahren.
Künstler sind zudem dafür verantwortlich, ihre Materialien selbst mitzubringen und nach der Arbeit wieder aufzuräumen. Diese Selbstverantwortung fördert nicht nur den Respekt vor dem öffentlichen Raum, sondern auch das Verantwortungsbewusstsein der Jugendlichen. Unerwünscht sind Motive, die beleidigend sind oder kommerzielle Zwecke verfolgen – das Projekt soll schließlich einen Raum für künstlerischen Ausdruck schaffen, der frei von diskriminierenden oder kommerziellen Einflüssen ist.
Die Wienerwand ist nicht nur ein Gewinn für die Jugendlichen, sondern auch für die Stadt und ihre Bewohner. Graffiti, das legal und mit künstlerischem Anspruch geschaffen wird, kann das Stadtbild bereichern und ihm eine lebendige, urbane Atmosphäre verleihen. Die Bevölkerung hat so die Möglichkeit, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Umgebung zu beteiligen, was das Gemeinschaftsgefühl stärkt und das Bewusstsein für Kunst im öffentlichen Raum fördert.
Zudem werden durch die Wienerwände auch Konflikte vermieden, die sonst durch illegale Graffiti entstehen könnten. Legale Flächen verhindern, dass andere Bereiche der Stadt unkontrolliert besprüht werden. Dies trägt zu einem gepflegteren und attraktiveren Stadtbild bei, das sowohl den Bewohnern als auch den zahlreichen Besuchern Wiens zugutekommt.
Die Wiener Landtagsabgeordnete Nina Abrahamczik betont die Bedeutung solcher Projekte: „Die temporäre Wienerwand am Gaudenzdorfer Gürtel ist ein perfekter Ort, um jungen Menschen Raum für ihre Ideen und Ausdruckskraft zu geben. Graffiti ist Kunst, Graffiti ist aber auch Kritik und Rebellion und setzt sich wie jede Kunst in manchmal unbequemer Weise mit gesellschaftlichen Themen auseinander."
Die Wienerwand ist ein innovatives Projekt, das zeigt, wie Kunst, Kultur und Jugendförderung Hand in Hand gehen können. Es bietet jungen Künstlern die Möglichkeit, sich auszudrücken, ihre Talente zu entwickeln und gleichzeitig das Stadtbild mitzugestalten. Wien beweist damit einmal mehr, dass es eine Stadt ist, die offen für neue Ideen und kreative Ansätze ist, und zeigt, wie aus einer ursprünglich als subversiv betrachteten Kunstform ein anerkanntes und wertgeschätztes Element der urbanen Kultur werden kann.
Mehr Informationen über die Graffiti-Kultur in Österreich gibt's auf spraycity.at
(PA/red)
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